Die Legende Schrock-Opitz
Vom Landwirt zum Tanzlehrer: Ein kurzer Rückblick auf das bewegte Leben des Tanzschulgründers Hans-Günther Schrock-Opitz.
Hans-Günther Schrock-Opitz bezeichnete sich selbst stets als "Sonntagskind", obwohl er an einem Dienstag zur Welt kam. Er habe immer das nötige Glück und in kritischen Momenten die ausreichende "Handbreit Wasser unter dem Kiel" gehabt. Selbst die inoperablen Granatsplitter, die er seit einer Verwundung im Krieg in sich trug, hinderten ihn nicht daran, ein auch erfolgreicher Profi- Turniertänzer zu werden.
Den Original-Artikel aus der Ostfriesen-Zeitung finden Sie unter diesem Link: Das Parkett war sein Wohnzimmer
In Memoriam
Durch die Kriegswirren von Neuhof bei Elbing in Westpreußen nach Papenburg verschlagen, konnte Hans Günther Schrock-Opitz in seinem erlernten Beruf als Landwirt hier nicht Fuß fassen. Wie das Schicksal so spielt, wollte er sich als in seiner Jugend in Elbing begeisterter Tanzschüler übergangsweise als Tanzlehrer betätigen. Aber auch dieses Vorhaben brauchte Vorbereitung. Als erstes mußte eine Erlaubnis der Britischen Militärkommandatur beantragt werden. Dann verkaufte er in der ganzen Gegend im Auftrage eines Bekannten "Solinger Stahlwaren" gegen Butter und Speck. Mit 6 Pfund erwirtschafteten Nahrungsmitteln machte er sich per Fahrrad auf den Weg zum Markt nach Hamburg. Außer seiner Wehrmachtskleidung hatte er nämlich nichts anzuziehen, und damit war wohl kein Start als Tanzlehrer zu machen. So erhandelte er sich für Butter und Speck braun- gestreiften Anzugstoff, den er stolz zu einem nach Papenburg geflüchteten Schneider brachte. Dieser nette Herr machte aber klar, daß er den Anzug gerne nähen würde, er allerdings weder Zwirn, noch Futtermaterial oder Knöpfe hätte. So wurden also weiterhin "Solinger Stahlwaren" verkauft, damit der Schneider sich durch Beziehungen das fehlende Material besorgen konnte.
Die Werbung für die ersten Tanzstunden im September 1945 in Papenburg beschaffte er sich durch das Sammeln von Altpapier und Büchern, die er zur Druckerei brachte und als Gegenwert ein paar Plakate erhielt. Trotzdem ging nicht alles so ganz planmäßig ab, denn am Tag des Kursbeginnes um 16.00 Uhr war der Anzug so spät fertig, daß der zukünftige Tanzlehrer erst um 15.45 Uhr in seinem neuen Anzug und einer Aktentasche, die der Schneider aus Tarnstoff der Wehrmacht gefertigt hatte, im Saal eintraf. An diesem ersten und entscheidenden Tag hatte Hans Günther Schrock-Opitz drei Tanzkurse angeboten, die allerdings in Banknoten zu bezahlen waren, weil deren Wert weit unter den Naturalien lag. Es zeigt sich, daß die Aktentasche dringend nötig war, denn es kamen über 200 tanzhungrige Emsländer. Der Spaß an dieser Tätigkeit und die Begeisterung der Menschen rissen Ihn so mit, daß er fortan hierin seine Zukunft sah.
Schon Ende des Jahres 1945 gab er die ersten Kurse in Leer im damaligen Hotel Vogt in der Wörde und einigen anderen Orten. Das Kursprogramm bestand zu der Zeit aus Marsch, Foxtrott, Langsamen Walzer, Wiener Walzer, Rheinländer, Kreuzpolka und Tango. In eiskalten zugigen Sälen mußte Unterricht erteilt werden. Die Teilnehmer brachten später zu jeder Tanzstunde ein Stück Torf mit, um den Damen allzu großes Zittern zu ersparen. Da zu dieser Zeit die entsprechenden Verkehrsmittel nicht vorhanden waren, fuhr er mit dem Fahrrad gemeinsam mit seinem ständigen Klavierbegleiter Walter Köhne aus Papenburg von Saal zu Saal.
Festschrift vom Schlußball Januar 1946
Er beschloß umgehend eine Ausbildung zum Tanzlehrer zu absolvieren und lernte bei seiner zusätzlichen Ballettausbildung in Köln auch den Turniertanzsport kennen, der ihn und die weitere Zukunft der Tanzschule gravierend beeinflusste. Am 23. April 1947 legte er vor einer Prüfungskommission, die damals unter anderem auch mit einem Vertreter der Regierung Köln besetzt war, seine Prüfung ab. Zwischen den Jahren 46 und 50 nahm er an vielen Profiturnieren teil, um sich auch dadurch ein gutes Rüstzeug für seine Arbeit zu verschaffen. In diesen und den folgenden Jahren war er deshalb auch Mitglied in den verschiedensten Berufsverbänden wie dem Rheinischen Tanzlehrer Verband, dem Nordwestdeutschen Tanzlehrerverband, dem Bund Deutscher Tanzlehrer, dem Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband und der Internationalen Tanzlehrer- Union in der Schweiz.
1950 hatte das Fahradfahren ein Ende, denn es konnte der erste gebrauchte Volkswagen gekauft werden. Ebenfalls wurde in diesem Jahr das Grundstück in Leer erworben, um hier 4 Jahre später einen eigenen Saalbetrieb bauen zu können. Am 15. August 1948 organisierte er das erste internationale deutsche Bäderturnier der Nachkriegszeit auf Borkum. Schon 1953 tanzten 15 verschiedene Nationen Europas an Turnieren in Leer und Lingen.
In den Jahren 1957/58/60 organisierte er die Europameisterschaften der FIDA ebenso wie die 1. Deutsche Meisterschaft in den Latein- amerikanischen Tänzen 1959 und die Europameisterschaft in den Latein- amerikanischen Tänzen der FIDA 1960. Mitten in dieser Geschäftigkeit baute er noch seine eigene Tanzschule in Leer, die 1954 eröffnet wurde.
Von 1956 bis 1960 war er auch noch Herausgeber der Internationalen Tanzzeitschrift "Terpsichore" für Deutschland und Europa. Durch die große Tanzbegeisterung seiner Mitmenschen getrieben, investierte Hans Günther Schrock- Opitz unermüdlich und baute bis 1980 dreizehnmal Mal an, um den Kunden auch räumlich alles bieten zu können. 1976 organisierte er das erste seiner 34 ITE Europacup Turniere in Hadersleben in Dänemark. Begeisterte Tänzer folgten ihm in den folgenden Jahren nach Zwolle NL, Zürich CH, Kopenhagen DK, Cavallermaggiore I, Darmstadt, Würzburg, Köln, München, Berlin und Leer. Den größten Europacup veranstaltete er in Wien. Für über 800 Teilnehmer organisierte er Unterkünfte, Ausflüge, Heurigenabend und natürlich das Turnier über mehrere Tage. Es war viel Arbeit, aber ihm ein großes Vergnügen.
Da er immer um Völkerverständigung bemüht war, stellte er bei der erstmöglichen Gelegenheit 1988 Kontakt zu seiner Heimatstadt Elbing im heutigen Polen her. Anläßlich einer Turniereinladung organisierte er eine Gruppe von Paaren aus Deutschland, Holland und Italien und reiste erstmalig nach dem Krieg wieder in seine Heimatstadt Neuhof bei Elbing. Kontinuierlich pflegte und schuf er Kontakte zwischen Menschen, Organisationen, Firmen und den Städten Leer und Elbing.
Aufgrund seiner stetigen Bemühungen erlebte er 1997 daraufhin die größte Ehrung seines Lebens. Auf einem großen Tanzturnier mit Fernsehübertragung im Polnischen Fernsehen im Theater von Elbing wurde er zum ersten deutschen Ehrenbürger seiner ursprünglichen Heimatstadt Elbing ernannt. Das war für ihn ein unglaubliches Ereignis.
1998 übergab er die Tanzschule seinen Söhnen Thorsten und Olaf, unterrichtete aber unermüdlich an 5 Tagen in der Woche weiter. Ein besonderes Highlight erfuhr er noch 2011. Das Fernsehen wurde auf ihn aufmerksam, weil er als der älteste aktive Tanzlehrer Europas galt. Mit viel Freude ging es von einer Fernsehproduktion zu nächsten. Das Highlight war zweifelsohne sein Auftritt im Dezember 2011 beim RTL Jahresrückblick mit Günther Jauch, bei dem er auch ein kleines Tänzchen mit Maite Kelly hinlegte.
Am Montag, 14.5.2012, erfüllte sich sein immer geäußerter Wunsch, einmal auf der Tanzfläche tot umzufallen, denn er starb während des Unterrichts beim Zählen in seinem Paarkurs. Übrigens: Den Mann der Ihn sanft auf den Boden legte, lächelte er noch einmal an und dann war er tot. Er starb in der Tat mit einem Lächeln auf dem Gesicht.